Rio Reiser – „Alles und noch viel mehr“ (VÖ 19.08.) – das Album zu seinem 20. Todestag
von Nena, Johannes Oerding, Gregor Meyle, Annett Louisan, Namika, Söhne Mannheims, Echt und Fettes Brot und der neuen Single „Wann?“
Rio Reiser und die deutsche Popmusik – 20 Jahre nach seinem frühen Tod ist deutsche Musik erfolgreich wie nie zuvor. Deutsche Songpoeten besetzen die oberen Ränge der Album–Charts und spielen ausverkaufte Tourneen. Das war nicht immer so: 1970 begann Rio Reiser mit seiner Band Ton Steine Scherben mit deutscher Rockmusik und ist damit einer der „Urväter“ der deutschsprachigen Musik – jenseits des Schlagers.
Am 20.08.2016 jährt sich der Todestag von Rio Reiser zum 20. Mal. Zu diesem Anlass erscheint das neue Album „Alles und noch viel mehr“ mit den Hits von Rio Reiser, mit einer neuen Rio Reiser-Single, mit neuen, exklusiven Coverversionen von Johannes Oerding, Gregor Meile, Namika und Annett Louisan, sowie weiteren Reiser-Songs von u.a. Nena, Söhne Mannheims und Fettes Brot.
In einer Zeit, in der mitunter zehn Alben der Top Ten deutschsprachig sind*, fragt man sich zuweilen, wo dieser immense Erfolg seinen Ursprung hat. 1970 hielten gerade mal Rio Reiser mit seiner Band Ton Steine Scherben und wenige Weggefährten die Fahne deutscher Texte hoch, die in eingängige Rock- und Popsongs verpackt wurden – jenseits des Schlager-Einerleis. Heute gelten Stars wie Xavier Naidoo, Johannes Oerding, Annett Louisan, Gregor Meyle, Namika oder Tim Bendzko als die Erben dieser Urväter intelligenter, deutschsprachiger Musik. Und Rio Reiser genießt den Status einer Ikone – sicher aufgrund von Hits wie König von Deutschland, Junimond, Halt dich an deine Liebe fest, Alles Lüge aber auch weil Song-Zitate wie „Keine Macht für niemand“ oder „Mensch Meier“ sogar als Redewendung in die deutsche Sprache eingingen. Was hatte dieser Mann nicht alles erlebt in den 46 Jahren seines Daseins. Geboren 1950 als Ralph Christian Möbius in West-Berlin, musste Rio Reiser sich schon in seiner Jugend an ein Leben „on the road“ gewöhnen – sein Vater, der als leitender Ingenieur für Kartonverpackungen bei Siemens angestellt war, wurde mehrmals versetzt. Deshalb lebte Rio mit seiner Familie in einem halben Dutzend Städte in der ganzen Republik, bis sie sich Anfang der 60er Jahre in Nieder-Roden unweit von Offenbach im Rhein-Main-Gebiet niederließ. In einem Interview sagte der Musiker später, dass er sich an keinem dieser Orte wirklich zuhause gefühlt habe. Seine Mutter Erika hielt ihn für einen im wahrsten Sinne des Wortes „unbelehrbaren Autodidakten“ und ließ ihm in seinem kreativen Tun freien Lauf. So erlernte er seine Fähigkeiten auf Klavier, Gitarre und Cello aus eigenem Antrieb. Mitte der 60er Jahre wandelte sich das Talent des jungen Ralph Christian Möbius in die Person des hoch begabten Musikers Rio Reiser. Sein Pseudonym wählte er wohlüberlegt nach dem Protagonisten des Romans „Anton Reiser“ von Karl Philipp Moritz (1756-1793). Rio tummelte sich fortan in der Musikszene um Offenbach und Frankfurt, probierte hier und dort seine erlernten Fähigkeiten aus und landete zunächst bei der Band „Beat Kings“ und später bei „De Galaxis“.
Die Lehrjahre in Hessen bestärkten Rio Reiser darin, seinen musikalischen Horizont zu erweitern. Gerade mal 17 Jahre alt, überredete er seinen Mitmusiker R.P.S. Lanrue mit ihm nach West-Berlin zu ziehen – dorthin, wo Rio geboren war und zumindest einen Hauch von Heimat vermuten durfte. Man spielte sich drei Jahre durch die Clubs der Großstadt. Rio arbeitete viel als Texter und Komponist (u.a. für ein von Alfred Biolek produziertes ZDF-Fernsehspiel) und schrieb die erste Beatoper der Welt, die im Juli 1967 im „Theater des Westens“ mit dem britischen Popstar David Garrick in der Hauptrolle („Dear Mrs. Applebee“, 1967 Nr.1 in Deutschland) uraufgeführt wurde. Schließlich fanden Rio und R.P.S. in Wolfgang Seidel und Kai Sichtermann zwei Seelenverwandte, die mit ihnen 1970 die Band „Ton Steine Scherben“ gründeten. Ihren ersten Auftritt hatten TSS bei Love-And-Peace-Festival Anfang September 1970 auf Fehmarn. In Kreuzberg nahm die Formation ihre ersten Singles auf: Darunter war auch bereits ihr legendäres Stück „Macht kaputt, was Euch kaputt macht“, das später zur Hymne der Studentenbewegung wurde. 1971 erschien ihre erste LP „Warum geht es mir so dreckig?“ beim bandeigenen Independent-Label „David Volksmund“. Mit ihrem zweiten Album „Keine Macht für niemand“ (1972) festigten „Die Scherben“ ihren Ruf als Sprachrohr der außerparlamentarischen Opposition und Hausbesetzer-Szene. Sie beeindruckten mit teils sehr gewagten Texten, die zwar das Establishment verärgerten, ihnen aber die ungeteilten Sympathien ihres Publikums einbrachten. 1975 war die Gruppe des Großstadtrummels müde und zog sich in eine Musikerkommune ins nordfriesische Fresenhagen zurück, um dort in Ruhe ihre Platten zu produzieren. Tournee-Angebote schlugen sie immer wieder aus. Erst 1983 gelang es dem Veranstalter Fritz Rau „die deutschen Rolling Stones“ (taz) zu einer Konzertreise zu bewegen. Nur leider lösten sich „Ton Steine Scherben“ nach Ende der Tournee überraschend auf.
Mehr als 200.000 D-Mark Schulden hatten „Ton Steine Scherben“ bei ihrem Split. Deswegen nahm Rio Reiser auf Bestreben von Annette Humpe – frühere Frontfrau von „Ideal“ – Kontakt mit dem Musikverleger George Glueck auf, der ihm einen Plattenvertrag bei CBS verschaffen konnte. 1986 erschien sein erstes Solo-Album „Rio I.“ mit Hits wie „Alles Lüge“, „Für immer und Dich“, „Junimond“ und „König von Deutschland“. Viele Scherben-Fans warfen ihm damals vor, sich entgegen seiner früheren Haltung an die Industrie zu verkaufen. Doch darauf konterte Rio lapidar in einem Spiegel-Interview: „Es gibt Schlimmeres als eine Kunsthure zu sein“. Er spielte dabei darauf an, dass er und seine Ex-Kollegen durch den Erfolg seiner Soloaktivitäten wieder schuldenfrei waren. Zudem verkannten diese Kritiker, dass ein Teil seiner „neuen“ Songs bereits zehn Jahre zuvor bei Scherben-Konzerten gespielt worden waren; darunter auch „König von Deutschland“ und „Junimond“. Rio Reiser war jedenfalls absolut „in“: Sein Auftritt beim 5. Anti-WAAhnsinns-Festival am 27. Juli 1986 vor mehr als 100.000 Fans gemeinsam mit Kollegen wie Herwig Mitteregger, Herbert Grönemeyer und den Toten Hosen gilt als einer der Höhepunkteseiner Karriere.
Mit dem Album „Blinder Passagier“ legte Rio Reiser 1987 sein gewiss schönstes Album vor. Die wunderbaren Melodien, herrlichen Arrangements und tief berührenden Lyrics ließen damals keinen Zweifel daran, dass er einer der ganz großen Rockpoeten ist. Die Stern-Redakteurin Anke Kapels schrieb seinerzeit: „Rio bezaubert alle: Teenies schieben sein neues Album „Blinder Passagier“ neben Seichtpop-LPs von „Modern Talking“ oder „Münchener Freiheit“ ins Regal. Auch die um die 35, denen sonst nur Deutschgesungenes mit sozialkritischer Aussage auf den Plattenteller kommt, hören seine Songs.“ Das dritte Longplay „Rio***“ (1990), von den Fans liebevoll „Sternchen“ genannt, fiel deutlich elektronischer aus, was wohl der Produktion von Udo Arndt und dem Ex-Spliff-Keyboarder Reinhold Heil zuzuschreiben war. Trotzdem klingt die Scheibe überraschend frisch und spontan. Legendär wurde zu dieser Zeit sein Auftritt in der TV-Talkshow „Gut gebrüllt, Löwe!“ im Berliner Zirkus Busch, wo er seine Ballade „Zauberland“ mitten in einem mit zwei Löwinnen besetzten Käfig präsentierte. Im gleichen Jahr erhielt Rio auch den renommierten Fred-Jay-Preis für deutschsprachige Songtexter.
Rios viertes Album „Durch die Wand“ erschien 1991. Seine Hinwendung zu rockigeren Tönen wurde von Kritikern durchaus positiv bewertet – Die Zeitschrift „Stereoplay“ bescheinigte ihm: „Jetzt kehrt Rio Reiser wieder zu handgemachten, dabei keineswegs banalen, sondern durchdachten und eingängig arrangierten Rocksongs zurück… Außerdem bewährt er sich wiederals herausragender Interpret melancholischer (Liebes-)Lieder.“ Auf dem von Annette Humpe produzierten Meisterwerk „Über alles“ (1993) überraschte Rio „mit einer ‚Volks-Musik‘ aus Beat, Polka, Ventures-Gitarren, Westcoast, Shanties und Bob Dylan“, wie die „Frankfurter Rundschau“ damals schrieb. Rio sagte dazu in einem Interview: „Mit dieser musikalischen Mischung bin ich in den Sixties aufgewachsen: mit bayrischem Bilder- und Notenbüchlein und Musik aus dem AFN“. Die geplante „Über alles“-Tour musste er aus gesundheitlichen Gründen absagen.
Rio Reisers letztes Album Lebzeiten hieß „Himmel & Hölle“ (1995), das in der gleichen Besetzung eingespielt wurde wie sein Solo-Debüt; u.a. Ken Taylor, Curt Cress und Peter Weihe sowie Udo Arndt als Produzent. Es enthielt den formidablen Titelsong „Träume“ aus dem bereits im Sommer 1994 gedrehten BR-Tatort „Im Herzen Eiszeit“, in dem Rio eine der Hauptrollen spielte. Im Frühsommer 1996 ging er wieder auf Deutschland-Tournee, doch sein Gesundheitszustand verschlechterte sich zunehmend – trotzdem stand er auf der Bühne, lediglich zwei Konzerte am Ende der Tour mussten abgesagt werden. Die letzten Monate seines Lebens verbrachte er auf seinem geliebten Bauernhof in Nordfriesland, wo er am 20. August 1996 dann im Alter von nur 46 Jahren an Kreislaufversagen starb. Rio wurde auf seinem Privatgrundstück in Fresenhagen beigesetzt. Sein musikalisches Vermächtnis lebt in den unvergänglichen Songs weiter, die er im Laufe der Jahre geschaffen hatte und die ihn so präsentieren, wie er von seinen Fans geliebt wird: frech, nachdenklich, provokant und kompromisslos.
Am 20. August dieses Jahres jährt sich der Todestag von Rio Reiser zum 20. Mal. Grund genug für Sony Music, die Karriere des sensiblen Songpoeten mit einer hochwertigen 2CD Premium Edition „Alles und noch viel mehr“ zu würdigen, die neben seinen großen Erfolgen auf CD1 (inkl. zwei Songs von Ton Steine Scherben) auf der zweiten Scheibe selbst für eingefleischte Fans einige Überraschungen bereit hält: Vier exklusive, neu aufgenommene Cover-Versionen, mit denen sich die Topstars Johannes Oerding, Namika, Gregor Meyle und Annett Louisan mit ebenso intensiven wie hochsensiblen Interpretationen vor ihrem großen Vorbild musikalisch verneigen. Vier weitere Cover-Versionen der vergangenen Jahre von den Söhnen Mannheims, Nena, Fettes Brot und Echt, die sich nahtlos an die neuen Songs anschließen. Die Krönung dieser in enger Zusammenarbeit mit Rios Bruder Gert Möbius entstandenen Edition ist aber die neu arrangierte 2016er Version seines Songs „Wann?“ (erstmals auf dem 1987er-Album „Blinder Passagier“), die als Single veröffentlicht wird und verdeutlicht, wie zeitlos Rio Reißers Stimme und seine Texte sind.
Produziert wurden die neuen Songs von Mathias Grosch und Jules Kalmbacher, die u.a. durch ihre Arbeit für Xavier Naidoo bekannt sind und für die sensationell erfolgreichen Alben der TV-Show „Sing meinen Song“ (7x Platin, 2x Gold) verantwortlich zeichnen. Das liebevoll ausgestaltete Booklet- und Artwork-Design stammt von Julika Matthess, Rio Reisers Nichte.
„RIO REISER – alles und noch viel mehr“ erscheint am 19.08.2016 bei Sony Music als „2CD Premium-Edition“, als Einzel-CD in der „Standard Edition“, als Doppel-Vinyl-Edition sowie natürlich als Download-Album und auf allen Streamingportalen.